Von Martin Weiss, Leiter DAT-Marktbeobachtung
Die Initiativen der Hersteller und Importeure, gemeinsam mit der Bundesregierung in Form von Förderprämien den Absatz von elektrifizierten Fahrzeugen zu steigern, sorgen für steigende Neuzulassungen und eine Absenkung der von der EU vorgeschriebenen, NEFZ-basierten CO2-Emissionswerte für die Neuwagenflotte.
Zudem beschleunigen sie einen Umstieg auf alternative Antriebe. Die Verlängerung der E-Prämie nimmt aber auch den Druck von den Käufern, sich noch schnell für ein E-Auto zu entscheiden.
Durch den Wandel an die Mobilitätsanforderungen einzelner Bevölkerungsgruppen (Stichwort „Homeoffice“) kann es sein, dass ein E-Auto für immer mehr Personen interessant wird, da diese Automobile mehr und mehr den individuellen Mobilitätsbedarf abdecken. Voraussetzung in den meisten Fällen ist eine entsprechende Lademöglichkeit am Wohn- und/oder Arbeitsort.
Auf der anderen Seite wirken sich die Prämien aber schon heute auf den Gebrauchtwagenmarkt aus. Die DAT beobachtet seit Einführung der Innovationsprämie, dass elektrifizierte Gebrauchtwagen dadurch stärker an Wert verlieren, da sie durch die Prämie mit stark rabattierten Neufahrzeugen konkurrieren müssen.
Der Handel steht beim Verkauf von gebrauchten elektrifizierten Fahrzeugen somit zunehmend vor der Herausforderungen einer marktgerechten Bepreisung dieser Fahrzeuge. Für Banken und Leasinggesellschaften wird es zunehmend komplexer, die Restwerte von heute neuen Plug-In-Hybriden (PHEV) und rein batteriebetriebenen Fahrzeugen (BEV) zu kalkulieren, da sich der Markt in einem permanenten Wandel befindet.
Zur Faktenlage
Auf dem Gebrauchtwagenmarkt wechselten 14.702 gebrauchte BEV und 15.446 gebrauchte PHEV den Besitzer. Insgesamt wurden 5.895.829 Besitzumschreibungen (darin sind die BEV und PHEV sowie alle weiteren Antriebsarten inkludiert) vom KBA seit Januar 2020 registriert. Im gleichen Zeitraum wurden 121.527 BEV und 130.741 PHEV neu zugelassen. Insgesamt beläuft sich die Anzahl der Neuzulassungen in Deutschland auf 2.316.137 Einheiten (inkl. aller Antriebsarten).
29% der Pkw-Halter, die für das DAT-Barometer im September 2020 befragt wurden, gaben an, dass sie sich wegen der E-Prämien intensiver mit Elektromobilität beschäftigt haben. Im Jahr 2019 haben sich 12% aller Neuwagen- und 6% aller Gebrauchtwagenkäufer eigenen Angaben zufolge intensiv mit Elektromobilität beschäftigt. „Viel davon gehört/gelesen“ haben 37% der Neuwagen- und 31% der Gebrauchtwagenkäufer (Erhebung für den DAT-Report 2020).
Niedrige Gebrauchtwagenwerte werden das „New Normal“
Grundsätzlich hat jede anhaltende Prämie für Neuwagen langfristige Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt. Wäre die aktuelle Prämie 2021 ausgelaufen, hätte es einige Jahre gedauert, bis sich das Preisniveau der gebrauchten elektrifizierten Fahrzeuge wieder erholt hätte. Durch die Verlängerung der Prämie bis 2025 wird daraus quasi ein Dauerzustand. In anderen Worten heißt dies: Ein Kaufinteressent weiß, dass er in den nächsten fünf Jahren ein fabrikneues E-Auto immer zu einem stark rabattierten Preis erwerben kann. Das zieht das gesamte Wertniveau von gebrauchten E-Autos nach unten. Anzumerken ist: Die Problematik betrifft vor allem Fahrzeuge, deren Neupreis durch die Prämie stark gemindert wird (in einigen Fällen quasi halbiert oder um ein Drittel reduziert wird). Dieses niedrigere Niveau wird dann das „New Normal“ für den Gebrauchtwagenmarkt. Der Handel tut sich heute schon schwer, gebrauchte E-Autos zu vertreiben, nun spitzt sich die Lage weiter zu.
Förderfähige Plug-In-Hybride mit 60km Reichweite setzen „die Alten“ unter Druck
Es wird in absehbarer Zeit nur noch neue PHEV geben, die 60km oder mehr Reichweite haben, um in einem ersten Schritt ab 2022 die neuen gesetzlichen Vorgaben für die Prämienberechtigung zu erfüllen. Später werden diese geforderten Reichweiten noch weiter erhöht (80km ab 2025). Die neuen Modelle werden die bisherigen mit „nur“ 40km Reichweite verdrängen.
Es ist Stand heute nicht abzusehen, wie groß die Auswirkung auf die Restwerte dieser „alten“ Fahrzeuge sein wird, da es weder für 40 noch für 60 km Reichweite einen Kaufanreiz für Gebrauchtwagen gibt. Momentan ist alleine der persönliche Anspruch des Kaufinteressenten ausschlaggebend. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Pkw mit 40km Reichweite eher als veraltet gelten und dies somit einen Preisunterschied zu den Fahrzeugen mit 60km Reichweite forcieren wird. Anders als beim Neuwagen gibt es für gebrauchte PHEV keine steuerlichen Anreize, die diese Antriebsart von gewöhnlichen Verbrennern unterscheiden.
PHEV- und BEV-Leasingrückläufer in größeren Stückzahlen verschärfen die Situation
Die steigenden Stückzahlen z.B. bei den PHEV-Neuzulassungen sind vor allem durch den steuerlichen Vorteil getrieben, die steigenden Stückzahlen bei den BEV zusätzlich auch durch die sehr hohen Prämien. Nach zwei bis drei Jahren werden somit deutlich mehr dieser Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt landen, die dann weiter mit den immer noch prämierten, d.h. rabattierten Neufahrzeugen im Wettbewerb stehen. Das wird die Preise weiterhin unter Druck setzen.
Der Handel und die Interessenten sehen sich mit der Tatsache konfrontiert, dass bei den elektrifizierten Fahrzeugen noch schnellere Technologiesprünge bei kürzeren Lebenszyklen vorherrschen. Diese Gebrauchtwagen können daher aufgrund ihrer vermeintlich veralteten Technik meistens nur über entsprechende Preisanpassungen verkauft werden.